Genetik

Als Züchterin in einem Einkreuzprojekt beantwortet man regelmäßig die Frage von Interessenten, anderen Züchtern und Hundebesitzern "Warum denn eigentlich? ". Die kurze Antwort von Erbkrankheiten und Inzucht ist den meisten einleuchtend oder sogar schon aus anderen Rassen bekannt. Allerdings stellen wir fest, dass viele Menschen die Zusammenhänge und Ansätze, die dahinterstecken, kaum kennen oder verstehen, und das liegt zum Teil daran, dass auch von Seiten der Züchter wenig Informationen zum genetischen Hintergrund ihrer Arbeit gegeben werden. 

Natürlich sind Züchter keine Genetiker und müssen das auch nicht sein, im Gegenteil, es gibt sehr gute Bücher von Experten für Hundegenetik, für diejenigen, die es ganz genau verstehen möchten. Allerdings sind solche Lektüren für Laien manchmal schwer verständlich und das kann nur noch mehr verwirren oder abschrecken. Andererseits ist es aber auch in gewisser Weise verantwortungslos, als Züchter mit wissenschaftlichen Begriffen um sich zu werfen, ohne fundiert zu erklären oder klar zu machen, welche konkreten Folgen das Wissen um genetische Aspekte für die Zucht hat. 

Deswegen möchten wir einen Mittelweg versuchen und, natürlich nur in Grundzügen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, erklären, was für Hundebesitzer über Genetik wissenswert ist, und wie wir dies in unserer Zucht umsetzen.

Zunächst einmal muss man sich klarmachen, wie das Grundprinzip der Vererbung von Merkmalen, sei es von Äußerlichkeiten oder von Erbkrankheiten, funktioniert. Es ist oft die Rede von Genen: von guten und schlechten Genen, von Genen für Krankheiten, Fell oder Farbe. Doch was ist eigentlich ein Gen? Die genetische Information ist in der DNA festgelegt. Sie ist sozusagen ein Bauplan für das gesamte Lebewesen und besteht aus Zehntausenden verschiedener Gene. Vereinfacht kann man sich ein Gen als einen Abschnitt der DNA vorstellen, der die Erbinformation für ein bestimmtes Protein enthält. Das heißt, der Körper braucht als "Anleitung" das Gen, um das jeweilige Protein herzustellen.

Die Proteine wiederum sind die Bausteine, aus denen das Lebewesen aufgebaut ist; sie haben vielfältige Funktionen vom Aufbau von Muskeln und Haaren bis hin zum Transport von Hormonen und wichtigen Aufgaben im Immunsystem. Ein bestimmtes Gen enthält also beispielsweise die Information für ein einzelnes Enzym im Stoffwechsel. Dabei ist eine enorme Vielfalt möglich, denn von jedem Gen gibt es mehrere verschiedene Varianten, die man als Allele bezeichnet.

Ein Hund besitzt von jedem Gen genau zwei Allele, also zwei Versionen dieses Gens. Diese können identisch oder auch verschieden sein. Die eine Kopie stammt vom Vater des Hundes, die andere von seiner Mutter. Auf diese Art und Weise kommt es bei der Fortpflanzung zu einer zufälligen Kombination des Erbmaterials der Eltern bei ihren Nachkommen. Die Gesamtheit der Gene eines Hundes bezeichnet man als Genotyp.

Wie sorgt dieser Genotyp für die tatsächlichen Merkmale des Hundes, also sein Erscheinungsbild, den Phänotyp?

Ein Gen bewirkt eigentlich nur den Aufbau eines bestimmten Proteins, auch wenn oft die Rede vom "Gen für Rauhaar" oder "Gen für Kurzhaar" ist. Doch die eigentlichen Mechanismen sind weitaus komplizierter und beinhalten ein großes Maß an Wechselwirkung. Es kann beispielsweise sein, dass ein bestimmtes Gen dafür sorgt, dass ein Protein hergestellt wird, das für Haarwachstum sorgt, andere Genprodukte hemmen das Haarwachstum oder verstärken beziehungsweise schwächen die Wirkung der übrigen Gene. So kann man sich vorstellen, dass es ein komplexes Zusammenspiel vieler Gene ist, das letztendlich für das Fell eines Hundes verantwortlich ist und das ist nur logisch, wenn man betrachtet, welche Vielfalt an Ausprägungen es allein beim Fell von Hunden gibt.

Dazu kommt, dass die einzelnen Varianten, die von einem Gen existieren, also die möglichen Allele, nicht immer gleichwertig sind. Wie bereits beschrieben, hat ein Hund zu jedem Gen je ein Allel von der Mutter, eines vom Vater. In manchen Fällen ist ein Allel "stärker" als das andere und setzt sich in seiner Wirkung durch, was man als "dominant" bezeichnet. Das andere Allel, es wird rezessiv genannt, kommt nicht zur Ausprägung. Diese Kombination aus zwei verschiedenen Allelen heißt "heterozygot", im Gegenteil dazu spricht man von "homozygot", wenn zweimal das gleiche Allel, entweder doppelt das dominante oder doppelt das rezessive, vorliegt.

Unübersichtlich wird es in der Vererbung, wenn heterozygote Tiere sich fortpflanzen. Denn einem Hund, der in einem bestimmten Gen heterozygot ist, sieht man nicht an, dass er auch über das rezessive Allel verfügt. Bei einer Verpaarung von zwei Heterozygoten kommt es aber zu einer Kombination der Allele beider Tiere. Und so kann es vorkommen, dass ein Nachkomme sowohl von der Mutter als auch vom Vater genau dieses rezessive Allel erbt, das bei den Eltern vom dominanten Allel sozusagen verdeckt wurde. Dieser Nachkomme hat dann zweimal das rezessive Allel, ist also homozygot.  

Ein Beispiel für diese Art der Vererbung ist die Digitale Hyperkeratose beim Kromfohrländer, eine Erbkrankeit mit übermäßiger Verhornung (Corny Feet). Dabei ist das Allel, das die Krankheit auslöst, rezessiv, während das "gesunde" Allel dominant ist. Das bedeutet, dass Heterozygote mit je einem normalen und einem Defektallel nach außen hin völlig gesund sind. Das eine dominante Allel genügt, um die Krankheit zu verhindern. Das Problem entsteht erst bei der Verpaarung von zwei heterozygoten Trägern. Denn jetzt können durch die Kombination der Allele Nachkommen herauskommen, die homozygot das rezessive Allel haben. Diese sind dann erkrankt, da sie kein gesundes Allel mehr besitzen.  

So überraschend es früher war, dass zwei völlig gesunde Elterntiere kranke Nachkommen haben können, macht es diese Art der Vererbung heute einfach, der Krankheit vorzubeugen: Durch einen Gentest lässt sich feststellen, ob ein Hund homozygot oder heterozygot ist. Die Konsequenz ist einfach; man darf keine zwei heterozygoten Träger miteinander kreuzen. Solange nicht beide Eltern heterozygot sind, werden auch keine kranken Nachkommen geboren, da das Allel für die Krankheit ja von beiden Seiten her kommen muss.

Leider ist die Vererbung bei vielen Krankheiten und anderen Merkmalen nicht so einfach wie bei Corny Feet. Meist sorgt wie bei der Felllänge ein Zusammenspiel vieler Gene für bestimmte Eigenschaften und viele der verantwortlichen Gene sind noch nicht bekannt. Mit fortschreitenden Entwicklungen im Bereich der Gendiagnostik werden aber hoffentlich immer mehr Erbkrankheiten vermeidbar werden. 

Ein weiterer Begriff, der beim Einkreuzen immer wieder auftaucht, ist der der "genetischen Variabilität" oder "Varianz". Dabei handelt es sich um einen Wert, der bei einem Hund mittels Gentest bestimmt werden kann und der einen Einblick in die genetische Gesundheit des Individuums geben soll. Doch es ist wenig zielführend, diesen Wert als "Maß aller Dinge" darzustellen, ohne zu verstehen, was damit eigentlich ausgedrückt wird. Je höher die Variabilität, desto besser, heißt es, und das Einkreuzen erhöht die Variabilität der Hunde. Doch stimmt das überhaupt? Die kurze Antwort lautet ja, aber so einfach ist es dann doch nicht. Die genetische Variabilität gibt an, wie "vielfältig" die Gene eines Hundes sind. Von den meisten Genen existieren viele verschiedene Versionen, die einzelnen Allele. Ein einziger Hund hat pro Gen je zwei dieser Allele: zwei verschiedene, wenn er heterozygot ist bzw. zwei gleiche, wenn er homozygot ist. 

Daraus folgt logischerweise, dass das genetische Material eines Hundes, der in möglichst vielen Merkmalen heterozygot ist, deutlich vielfältiger ist. Ein hoher Grad an Heterozygotie sorgt also für eine große genetische Variabilität. 

Wie kann sich diese Variabilität bei der Vererbung über Generationen hinweg verändern? 

Die eine Richtung besteht in der Rassezucht. Diese ist eigentlich nur ein anderer Begriff für Selektion. In der freien Natur arbeitet die Selektion ständig auf eine optimale Anpassung der Lebewesen an ihre Umwelt hin. Durch die genetische Vielfalt sind alle Angehörigen einer Art in vielen kleinen Merkmalen verschieden und diejenigen, die am besten mit ihren Lebensbedingungen zurechtkommen, haben die besten Chancen, zu überleben, sich fortzupflanzen und so ihr genetisches Material weiterzugeben. 

Der Unterschied bei der Zucht besteht nun darin, dass die Selektion künstlich durch den Menschen durchgeführt wird: Die Züchter entscheiden, welche Hunde sich fortpflanzen dürfen und mit wem. Dabei werden je nach Rassestandard gewisse Kriterien für die Selektion festgelegt, die meist das Erscheinungsbild und die Eigenschaften der Hunde betreffen, und die anders als in der Natur nicht unbedingt bessere Überlebenschancen für das Tier bedeuten. Im Gegenteil, man züchtet gezielt Hunde mit bestimmtem Aussehen und Charakter für verschiedenste Funktionen. Das Problem besteht darin, dass durch die starke Selektion von Generation zu Generation Teile der genetischen Vielfalt verloren gehen.

Betrachten wir nun die Kromfohrländer: die ganze Rasse beruht auf nur wenigen Gründertieren, die zudem noch verwandt waren. Das bedeutet nicht nur unvermeidbare Inzucht zwischen Rassehunden, sondern auch, dass das genetische Ausgangsmaterial bereits nicht besonders umfangreich war. Über Generationen hinweg wurden Hunde miteinander verpaart, die alle genetisch sehr ähnlich waren, also mit einem hohen Grad an Inzucht. Diese Praktik hat verheerende Folgen: Zum einen das gehäufte Auftreten von Erbkrankheiten, wie die bereits erwähnte Digitale Hyperkeratose. Wie gesagt, kann daran nur ein Hund erkranken, dessen beide Eltern Träger des defekten Allels sind. Da solche Träger als Heterozygote auch noch das gesunde Allel besitzen, sind sie selbst nicht krank und konnten vor der Entwicklung von Gentests nicht von unbelasteten Hunden unterschieden werden. 

Durch Inzucht und den von Beginn an sehr kleinen Genpool, wurden die reinrassigen Kromfohrländer in ihren Genen immer ähnlicher und gleichzeitig stieg als natürliche Folge auch die Anzahl der Träger von Erbkrankheiten. Die logische Folge: Die Wahrscheinlichkeit einer Verpaarung von zwei Trägern zum Beispiel des Corny Feet nimmt immer weiter zu und nur aus einer solchen Verpaarung können dann tatsächlich erkrankte Homozygote hervorgehen. 

Neben der Häufung rezessiver Krankheitsallele haben jahrzehntelange reinrassige Zucht mit schwindender Genvielfalt auch gezeigt, dass nicht nur körperliche Erkrankungen, sondern auch problematische Wesenseigenschaften zunehmend auftreten. Dazu zählen unter anderem die extreme Ängstlichkeit und Nervosität vieler reinrassiger Kromfohrländer, die sozusagen eine übersteigerte Version der eigentlich typischen Sensibilität und Anhänglichkeit der Hunde darstellt.

Eine weniger offensichtliche und oft vernachlässigte Folge liegt in der generellen Zunahme der Homozygotie von einer Generation zur nächsten, also der Menge an homozygoten Merkmalen. Auf den ersten Blick erscheint es sogar nützlich, wenn Zuchttiere in vielen Genen homozygot sind. Denn so gibt es wenige Überraschungen bei ihren Nachkommen. Wenn eine Zuchthündin zwei identische Allele beispielsweise von einem bestimmten Farbgen hat, dann kann sie auch nur dieses eine Allel an ihre Welpen vererben. Mit einem ebenfalls homozygoten Vater, der auch nur dieses eine Allel mitbringt, kann man also davon ausgehen, dass diese Welpen alle in diesem Gen identisch mit ihren Eltern sind. Was für den Züchter eine Rolle spielt, denn so kann er gezielt Welpen "produzieren", die möglichst genau so wie ihre Eltern aussehen. 

Bei Heterozygoten bestehen weitaus mehr Kombinationsmöglichkeiten bei der Vererbung und damit auch ein vielfältigeres Erscheinungsbild: Es kann also durchaus vorkommen, dass bei zwei hellbraunen, rauhaarigen Elterntieren ein schwarzer, glatthaariger Welpe geboren wird.

Warum also soll Heterozygotie von Vorteil sein? 

Natürlich betrifft die Homozygotie nicht nur Gene für das Äußere, sondern alle Gene des Hundes. Und hierbei ist erwiesen, dass Individuen mit hoher Heterozygotie gesünder und langlebiger sind. Beispielsweise im Immunsystem ist es vorteilhaft, zwei verschiedene Versionen des Gens für ein bestimmtes Enzym zu besitzen, da dann, sollte eine Version nicht mehr funktionieren beziehungsweise durch Umweltbedingungen in ihrer Funktion eingeschränkt sein, noch sozusagen als Plan B die andere Version da ist. Bei Homozygotie besteht diese Vielfalt nicht mehr. Nicht nur das Immunsystem ist weniger anpassungsfähig und widerstandsfähig, sondern auch der Stoffwechsel, damit die Verträglichkeit von Nahrung, die allgemeine Lebenserwartung und auch die Fruchtbarkeit sind betroffen. 

Allein aus solchen Gründen ist es nachvollziehbar, dass es ein züchterisches Ziel sein sollte, die Heterozygotie und damit die genetische Vielfalt möglichst zu erhalten beziehungsweise zu steigern. Doch in der Zucht reinrassiger Hunde ist letzteres nicht möglich, was zu der Frage führt: 

Wie kann man neues genetisches Material in die Population der Rasse einbringen?

Die inzwischen relativ populäre Lösung lautet Einkreuzen. Doch Einkreuzen ist nicht gleich Einkreuzen. Das Prinzip scheint einfach: Man mischt reinrassige Kromfohrländer mit anderen Rassen beziehungsweise Mischlingen, um so den Genpool aufzufrischen. Nur auf diese Weise kann die genetische Variabilität erhöht werden. Doch wenn es nur um die Genvielfalt ginge, müssten wir komplette Mischlinge züchten, denn sie haben die höchste Variabilität in ihren Genen. Auch wenn dieser Ansatz durchaus interessant wäre, würden sich dadurch sämtliche gemeinsamen Eigenschaften der Hunde auseinander entwickeln. In unserer Zucht wollen wir jedoch gewisse Charakteristika der Kromfohrländer bewahren und fördern. 

Dazu kommt die Frage danach, welches genetisches Material man in die Rasse einbringt. Dabei wird schnell klar, dass das Einkreuzen nicht ohne Risiken ist. Denn es besteht immer die Gefahr, durch Hunde einer anderen Rasse oder Mischlinge mit unbekannten Vorfahren neue Erbkrankheiten sozusagen "einzuschleppen". Außerdem können durch die Kombination des Erbguts zweier verschiedener Rassen auch neue, bisher nicht auftretende Erbleiden entstehen. 

Deshalb ist es umso wichtiger, die Auswahl der Deckrüden mit viel Verantwortung und Recherche zu treffen. Ein Mischling, über dessen Vorfahren nichts bekannt ist, wäre beispielsweise ein inakzeptables Risiko. Stattdessen ist es wichtig, auch den Rüden soweit möglich genetisch zu testen und seine Gesundheit, seinen Charakter und die "Chemie" mit der Hündin voranzustellen. Das Aussehen ist dabei natürlich wichtig, aber nicht die höchste Priorität. 

Es gilt zudem, eine Balance zu finden zwischen einem ausreichenden Anteil an neuem eingekreuzten genetischen Material und dem Kromfohländeranteil der Hunde, wenn man die gewünschten rassetypischen Eigenschaften erhalten möchte. Wir achten hier bewusst darauf, klare Prioritäten zu setzen. Je mehr Zuchtkriterien man einführt, desto mehr wird der Genpool eingeschränkt und das wäre bei einem Einreuzprojekt ja wohl kontraproduktiv. Deswegen haben wir nur einige wenige unumstößliche Grundsätze für die Auswahl unserer Hunde für die Zucht. Dazu zählen ein ausgezeichneter Gesundheitszustand, Freiheit von genetischen Belastungen, die zu Erbkrankheiten führen könnten, ein ausgeglichenes Wesen und auch die praktische Größe und Figur des Kromfohrländers. Ob ein Hund nun hellbraune, dunkelbraune oder schwarze Flecken hat, spielt für uns, solange die Färbung die Gesundheit nicht beeinflusst, keine Rolle. Auch hat jeder unserer Welpen seinen ganz eigenen individuellen Charakter, auch wenn sie in ihrem Wesen noch "Kromis" bleiben. 

Eine Erhöhung der genetischen Variabilität geht einher mit einer gesteigerten Vielfalt in Aussehen und Charakter. Es wäre paradox, genetisch heterogene Hunde zu züchten, die alle identisch aussehen, und nebenbei auch noch unmöglich. Denn man kann nicht gezielt die Vielfalt nur einiger Gene erhöhen. Und selbst wenn, wäre es verantwortungslos, aufgrund relativ willkürlich festgelegter Kriterien beim Äußeren von Hunden deren Gesundheit aufs Spiel zu setzen. 

Deswegen sind wir stolz auf die Vielfalt und Individualität in unserer Zuchtlinie, denn sie ist ein sichtbares Zeichen für die Gesundheit unserer Hunde. Jeder einzelne unserer Welpen führt seiner Familie vor Augen, warum das Einkreuzen sinnvoll ist und wie wertvoll die Genvielfalt für ein gesundes und zufriedenes Hundeleben ist.